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Klassifikation der Schulterinstabilität
Problem der Klassifikation
Bislang hat sich keine allgemein akzeptierte Klassifikation der Schulterinstabilität durchsetzen können, da sich die oftmals vorliegenden Mischformen der Schulterinstabilität nicht in einer einzigen Klassifikation vollständig beschreiben lassen.
A) BEGRIFFSDEFINITION:
- Schulterinstabilität: Unfähigkeit, den Humeruskopf zentrierend in der Fossa glenoidalis zu halten.
- Subluxation: vermehrte pathologische Translation ohne kompletten Kontaktverlust zwischen Humeruskopf und Glenoid unter Belastung mit spontaner Reposition bei Nachlassen der auslösenden Belastung.
- Schulterluxation: kompletter und permanenter Kontaktverlust zwischen Humeruskopf und Glenoid.
- Chronisch-rezidivierende Schulterluxation: Folgezustand nach der ersten traumatischen Schulterluxation.
- Willkürliche Luxation: Patienten, die in bestimmter Position ihre Schulter luxieren und auch selbst wieder reponieren können.
- Laxizität: normale physiologische Gelenktranslation, die benötigt wird, um den physiologischen Bewegungsumfang ausführen zu können.
- Hyperlaxizität: über das physiologische Maß hinausgehende gesteigerte Translation eines Gelenkes, was zu einem klinischen Beschwerdebild führen kann.
B) KLASSIFIKATION NACH MATSEN
Matsen hat 1990 erstmals unterschieden zwischen atraumatischer und traumatischer Schulterinstabilität. Er hat die Akronyme AMBRI (Atraumatisch Multidirektional Bilateral Rehabilitation Inferiorer Kapselshift) und TUBS (Traumatisch Unidirektional Bankart-Läsion Surgery) geprägt. Mischformen können mit dieser Klassifikation jedoch nicht erfasst werden.
C) DIE KLASSIFIKATION NACH GERBER 1997
Die Klassifikation nach Gerber unterscheidet zwischen uni- und multidirektionaler Instabilität sowie zwischen Instabilität und Hyperlaxizität und indirekt zwischen traumatischer und atraumatischer Instabilität. Das klinische Korrelat für die Hyperlaxizität stellt einerseits das Sulcuszeichen, andererseits eine vermehrte Außenrotation über 90 Grad sowie ein positiver Gagey-Test (Abb. 2a und 2b) dar. Bei gut 30% aller traumatischen Erstluxationen liegt eine oft nicht erkannte Hyperlaxizität vor, die dazu führt, dass ein bis dahin gut geführtes Schultergelenk nach diesem Trauma schnell zu atraumatischen Rezidiven neigt (Typ III nach Gerber).
Abzugrenzen ist davon die echte multidirektionale Instabilität, wobei Luxationen in mehreren Richtungen erfolgen und auch hier wiederum das Vorliegen einer Hyperlaxizität zu beachten ist. Entsprechend der Klassifikation empfiehlt Gerber bei uni- und multidirektionialer Instabilität ohne Hyperlaxizität mit strukturellen Schäden die chirurgische Therapie. Rein willkürliche Instabilitäten sowie multidirektionale Instabilitäten mit multidirektionaler Hyperlaxizität sollen der konservativen Behandlung zugeführt werden.
- Chronisch verhakte Luxation
- Unidirektionale Instabilität ohne Hyperlaxizität
- Unidirektionale Instabilität mit multidirektionaler Hyperlaxizität
- Multidirektionale Instabilität ohne Hyperlaxizität
- Multidirektionale Instabilität mit multidirektionaler Hyperlaxizität
- Willkürliche Instabilität
D) KLASSIFIKATION NACH BAYLEY 2002
Bayley beschreibt neben einer traumatischen und atraumatischen Genese als Ursache für die Schulterinstabilität die muskuläre Dysbalance als dritten ätiopathologischen Faktor. Darunter versteht man eine gestörte Innervation der Schulter und Schultergürtelmuskulatur, die zu einer Positionsinstabilität führt. Nachweisbare pathologische EMG-Muster verhindern hier eine koordinierte muskuläre Führung des Kopfes in der Pfanne. Bayley betont, dass eine vorhandene Dysbalance immer physiotherapeutisch behandelt werden soll und erst danach die strukturellen Läsionen chirurgisch saniert werden sollten.
POLAR GROUP I: TRAUMATISCH STRUKTURELL
- Signifikantes Trauma
- Oft Bankart-Läsion
- Gewöhnlich unilateral
- Keine muskuläre Dysbalance
POLAR GROUP II: ATRAUMATISCH STRUKTURELL
- Kein Trauma
- Struktureller Schaden des Gelenkes
- Kapsuläre Dysfunktion
- Keine muskuläre Dysbalance
- Nicht selten bilateral
POLAR GROUP III: HABITUELL-NICHTSTRUKTURELL
- Kein Trauma
- Keine strukturellen Schäden des Gelenkes
- Kapsuläre Dysfunktion
- Muskuläre Dysbalance
- Oft bilateral
E) ARTHROSKOPISCHE KLASSIFIKATION NACH HABERMEYER 2001
STRUKTURELLE LÄSIONEN AM VORDEREN GLENOIDRAND
BANKARTLÄSIONSTYPEN:
- klassische Bankartläsion: Kontinuitätsunterbrechung in der Übergangszone zwischen Knorpel und Labrum ohne Ablösung des periostalen Ansatzes.
- Doppellabrumläsion
- knöcherne Bankartdefekte
- klassische Perthesläsion:frischer kompletter Abriss des Labrum glenoidale zusammen mit dem IGHL vom Limbusrand, wobei das IGHL subperiostal vom Scapulahals abgerissen ist.
- ALPSA-Läsion(„anterior labrum periosteal sleeve avulsion“): chro nische Form der Perthesläsion, wobei das Labrum und das IGHL vom vor deren Scapularhals deperiostiert sind und einen Narbenwulst am Boden der Periosttasche bilden.
KAPSELLÄSIONEN
- Non-Bankartläsion
- Substanzdefekt des IGHL
- Quattrolabrumläsion
- HAGL-Läsion („humeral avulsion of glenohumeral ligament“): MGHL und/oder IGHL sind an ihrem humeralen Ansatz ein- oder abgerissen.
GLADLÄSION (GLENOLABRAL ARTICULAR DISRUPTION):
Direkte Traumen bei der Luxation führen zu Knorpeldefekten an der Übergangszone zum Labrum.
HILL-SACHS-LÄSION:
Traumatische Schulterluxationen führen immer wieder zu Impressionsfrakturen am Humeruskopf im posterior-superioren Anteil durch den vorderen unteren Glenoidrand. Calandra hat diese Defekte in drei Schweregrade eingeteilt.
- Grad 1:Defekt der Gelenkfläche ohne Beteiligung des subchondralen Knochens
- Grad 2: Gelenkdefekt mit Beteiligung des subchondralen Knochens
- Grad 3:großer Defekt des subchondralen Knochens. Von einem „engaging Hill-Sachs-Defekt“ spricht man, wenn sich bei der Abduktion-Außenrotationsbewegung der Defekt am Oberarmkopf am vorderen Pfannenrand
einhaken lässt.
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