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Interview
Arthroskopische Versorgung der Rotatorenmanschette
Prim. Dr. Werner Anderl im Interview
Er beantworte alle wichtigen Fragen rund um die arthroskopische Versorgung der Rotatorenmanschette und klärt über Neuerungen in diesem Bereich auf.
Herr Prim. Anderl, was ist die klassische Indikation für eine arthroskopische Rekonstruktion einer Rotatorenmanschettenruptur?
Ich sehe die Indikation zur arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei Komplettrupturen der SSP-Sehne bis zu einer Rissgröße von etwa 5cm, aber mit geringem Retraktionsgrad I–II. Weiters stellt die artikularseitige Partialläsion der Supraspinatussehne bei einer Defekttiefe von mehr als 50% eine ideale Indikation zum arthroskopischen Vorgehen dar. Die von mir forcierte Weiterentwicklung von arthroskopischen Mobilisierungstechniken hat dazu geführt, dass auch Sehnenrupturen mit deutlichem Retraktionsgrad durch ein rein arthroskopisches Vorgehen versorgt werden können. Ich möchte aber betonen, dass das Vorliegen einer Rotatorenmanschettenruptur allein per se noch keine Indikation zur operativen Behandlung darstellt. Erst nach frustranem konservativen Therapieversuch über etwa 6 Monate wird der Patient der Operation zugeführt.
Arthroskopische Versorgung der Rotatorenmanschette Arthroskopische Operationen an der Rotatorenmanschette sind modern, weniger invasiv und erfordern eine kürzere Rehabilitationszeit. Aufgrund neuester Entwicklungen am Sektor der Verankerungstechnik und des Fadenmaterials findet die arthroskopische Behandlung der Rotatorenmanschette mehr Akzeptanz unter den Schulteroperateuren. Jatros traf sich zu einem Gespräch mit Primarius Dr. Werner Anderl, der ein Schultersymposium von 13.–14. Juni in Going organisiert. W. Anderl, Wien 12 Orthopädie 3/2003 INTERVIEW
Welche Ankersysteme bevorzugen Sie?
Die heute von der Industrie angebotenen Ankersysteme sind entweder biodegradierbar oder aus Titan. Die Ankerfixation im Knochen erfolgt dabei entweder durch einen Spreiz- oder Klemmmechanismus oder es handelt sich um einen eindrehbaren Nahtanker. Ich persönlich bevorzuge Nahtanker mit Schraubgewinde, die einen geringen Kerndurchmesser aufweisen und breite Gewindezüge, um keinen wesentlichen Knochensubstanzdefekt im Tuberculum majus zu verursachen. Diesen Anforderungen entspricht aus meiner Sicht am besten der leicht einsetzbare und wieder entfernbare Corkscrewanker der Fa. Arthrex mit einer sehr hohen Haltekraft in biomechanischen Studien (237 N).
Was sind die Vorteile der neuen Generation der resorbierbaren Anker?
Der resorbierbare Anker erlaubt während des Einheilungsprozesses der Sehne eine ausreichende Gewebsfixation, wobei die Resorption des Ankers erst wesentlich später einsetzt und nach einem Jahr abgeschlossen ist. Bei einer eventuellen Reruptur oder Revision stören dann keine Metallanker im Operationsgebiet. Nahtanker aus PGA lehne ich ab, da schon nach etwa 14 Tagen eine erhebliche Minderung der Haltekraft vorliegt. Biodegradierbare Nahtanker müssen aus unserer Sicht aus PLLA oder PLDLA bestehen. Ein wesentlicher Schwachpunkt von manchen Ankern ist die Beschädigung von Fäden in der Ankeröse, welche in experimentellen Untersuchungen nachgewiesen werden konnte. Auch hier bietet der Biocorkscrewanker der Fa. Arthrex einen wesentlichen Vorteil mit einer flexiblen eingegossenen Fadenöse, welche ein ausgezeichnetes Gleiten der Fäden in der Öse ohne Traumatisierung der Fäden ermöglicht.
Was gibt es Neues am Sektor der Fadenmaterialien?
Die Anfang der 90er Jahre resorbierbaren monofilen Fäden wurden durch nicht resorbierbare geflochtene Fäden der Stärke 2 abgelöst. Einen weiteren wesentlichen Fortschritt bietet der seit kurzem am Markt erhältliche „Fiberwire“- Faden, der die höchste Reißfestigkeit aufweist. Gerade für das arthroskopische Knüpfen mit Knotenschieber ist dieser reißfeste Faden von entscheidender Bedeutung. Die Halte- und Applikations-fähigkeit der Knoten ist damit besser, zusätzlich ziehen sich die Knotenschläge fester zusammen und geben unter Beanspruchung weniger nach.
Welche Auswirkungen sind auf das postoperative Management zu erwarten?
Die arthroskopische Rekonstruktion einer Rotatorenmanschettenruptur bedeutet nicht, dass dadurch die Anheilung der Sehne rascher erfolgt. Es bedeutet jedoch in der Diagnostik der Begleitläsionen und gleichzeitig arthroskopischen Therapie einen wesentlichen Fortschritt. Multiple intraartikuläre Begleitpathologien, wie etwa die Bizepssehneninstabilität oder Läsionen am Labrum-Kapsel-Bandapparat können bei der arthroskopischen Technik besser diagnostiziert und auch gleichzeitig arthroskopisch behandelt werden, sodass sich daraus eventuell eine Änderung des postoperativen Managements ergibt. Der Patient muss so wie bei der offenen Rekonstruktion mit einer Ruhigstellung in abduzierter Haltung für 4 Wochen rechnen. In einer prospektiven Studie konnten wir aber bei den arthroskopisch versorgten Rupturen eine deutlich frühere Rückkehr zur Überkopffunktion gegenüber den offen versorgten Patienten feststellen.
Wo endet die Indikation der arthroskopischen Versorgung?
Isolierte Subscapularisrupturen werden von uns offen versorgt, Patienten mit nicht mehr reinserierbaren anterior superiorem oder posterior superiorem Massendefekt der Rotatorenmanschette werden in einer offenen Technik mit einem Sehnentransfer versorgt. Eine weitere Conditio sine qua non für ein gutes Ergebnis ist eine präoperativ freie passive Beweglichkeit. Deshalb werden Patienten mit Schulterkontrakturen nicht gleichzeitig mit einer arthroskopischen Naht versorgt. Dank der Weiterentwicklung der arthroskopischen Mobilisierungstechniken der Sehne kann aber grundsätzlich jede Rupturform, die durch eine offene Technik primär rekonstruiert werden kann, auch arthroskopisch behandelt werden.
Wie hoch ist die Lernkurve?
Die Verbesserung arthroskopischer Instrumente zum Fadentransport durch die Manschette, das Vorhandensein von Elektrokautersystemen zur Blutstillung sowie neue Pumpensysteme, die eine ideale Sicht ermöglichen, gestatten es heute einem arthroskopisch interessierten Chirurgen diese Techniken rascher zu erlernen als bei meinen ersten Operationen vor 11 Jahren.
Gibt es Kurse oder Schulungen, um die arthroskopische Technik von Experten zu erlernen?
Wir haben an meiner Abteilung ein Learning Center für arthroskopische Schulterchirurgie eingerichtet. Ab September 2003 werden hier viermal jährlich Workshops mit Live-Operationen angeboten.
Wir danken für das Gespräch! L Unser Interviewpartner: Prim. Dr. Werner Anderl Orthopädische Abt. Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Stumpergasse 13, 1060 Wien – or030312 www.universimed.com Orthopädie 3/2003 INTERVIEW
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