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Verbesserung der Lebensqualität durch universelle Schulterprothese
Prim. Dr. Werner Anderl über das Schultersystem
Mittlerweile kann der Schulterchirurg für die diversen Schulterpathologien zwischen etlichen Prothesensystemen wählen. Selten ist ein und dasselbe System sowohl bei primären Situationen als auch bei Revisionsoperationen und Frakturen einsetzbar. Das Anatomical-Shoulder-Inverse/Reverse-ShoulderSystem der Fa. Zimmer ist speziell dafür entwickelt worden. Jatros Orthopädie unterhielt sich mit dem österreichischen Experten Primarius Dr. Werner Anderl über die Feinheiten dieses Schultersystems.
Welche präoperative Abklärung ist in puncto Bildgebung nötig bzw. was muss der Operateur vor der Operation über das kranke Schultergelenk wissen?
Neben einer nativradiologischen Abklärung mit a.p. axialer Einstellung und einer Outletaufnahme, gibt uns die routinemäßige CT-Untersuchung mit standardisierter Einstellung eine Information über das Ausmaß der horizontalen und vertikalen Versionsabweichungen am Glenoid. Gerade diese präoperativen Erkenntnisse aus der CT-Untersuchung sind für die Positionierung der Glenosphärenkomponente sowie für einen ev. Glenoidaufbau unerlässlich. Eine präoperative kernspintomographische Abklärung (Atrophiestadium, Verfettungsstadium) der Rotatorenmanschette ist neben einer exakten klinischen präoperativen Abklärung immer sehr hilfreich dafür, den Patienten über die zu erwartende postoperative Beweglichkeit nach Einsatz eines solchen inversen Gelenks zu informieren.
Gib es Schulterprothesen, die für alle Pathologien und Patienten universell einsetzbar sind?
Ja, einzelne Firmen haben sich in den letzten Jahren dazu entschlossen, Prothesensysteme auf den Markt zu bringen, die es dem Schulterchirurgen erlauben, mit ein und demselben System sowohl primäre Situationen (primäre Arthrosen, Humeruskopfnekrose etc.) als auch Revisionsoperationen (Einsatz inverser Systeme, Prothesenwechseloperationen) und Frakturen zu behandeln.
Bei welchen Indikationen setzen Sie das Anatomical-Shoulder-Inverse/Reverse-ShoulderSystem ein?
Die Indikation des Anatomical-Shoulder-Reverse-Systems unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem Einsatz der klassischen inversen Deltaprothese. Hauptindikationen bei orthopädischen Patienten sind die Cuffarthropathien der Schulter, dann folgen die Prothesenwechseloperationen sowie Zustände nach Fraktursituationen mit Pseudoarthrosenbildungen oder völlige Destruktionen des Schultergelenks wie etwa beim Zustand nach septischen Verläufen.
Was ist das Besondere des Anatomical-Shoulder-Reverse-Systems?
Es handelt sich hier um ein universell einsetzbares Prothesensystem, dass es uns gestattet, einerseits primäre Situationen (Omarthrosen, Humeruskopfnekrosen, Frakturen etc.) ausgezeichnet anatomisch zu rekonstruieren, andererseits kann man mit diesem System bei einem Fehlschlag nach Einsatz einer anatomischen Prothese die anatomische Situation leicht in eine inverse Situation, ohne aufwändigen Stemwechsel, umwandeln. Hierzu gestattet dieses Prothesensystem den einfachen Tausch der Kopfkomponente gegen eine humerale Epiphysenkomponente und die Umwandlung der Glenoid-komponente in eine Glenosphärenkomponente. Eine weitere Besonderheit dieser Prothese stellt das Prothesendesign der Glenosphärenkomponente dar, welche wie bei anatomischen Prothesen an der Rückfläche konkav ist, sodass beim Einbau dieser Komponente weniger Knochen geopfert wird als bei der altbewährten Deltaprothese.
Welche anatomischen Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Prothese zum Einsatz kommt?
Da der Einsatz dieser inversen Prothese nicht nur bei primären Eingriffen (Cuffarthro-pathien, Frakturen) eingesetzt wird, sondern oft nach multiplen Voroperationen und bei Prothesenwechseln sowie erheblichen Destruktionen des Schultergelenks, spielt besonders der Zustand des Musculus deltoideus, sowie die nervale Versorgung dieses Muskels eine entscheidende Rolle für das postoperative funktionelle Ergebnis. Mittelfristige Ergebnisse bei 150 eingesetzten Deltaprothesen an unserer Abteilung haben gezeigt, dass v.a. Patienten mit multiplen Voroperationen (Rotatorenmanschettennaht-versuche, Prothesenimplantationen etc.) im Constant Score deutlich schlechter abschneiden als beim Einsatz einer inversen Prothese bei einer nicht voroperierten Schulter. Ein weiterer wichtiger präoperativer Faktor für den erfolgreichen Einbau einer inversen Prothese ist die Knochenqualität des Glenoids sowie des Humerus. In schwierigen posttraumatischen Fällen mit unklarer Funktionalität des M. deltoideus wird von uns immer eine präoperative elektroneurographische Abklärung des N. axillaris sowie eine EMG des M. deltoideus empfohlen.
Sehen Sie eine untere Altersgrenze für den Einsatz?
Viele Indikationen, die wir mit inversen Prothesen versorgen, fallen Gott sei Dank in eine höhere Altersgruppe über 70 Jahre, wie etwa Frakturpatienten, Patienten mit Prothesenwechsel und Patienten mit Cuffarthropathien. Trotzdem gibt es immer wieder Problempatienten zwischen 50 und 70 Jahren, die oft dramatische Destruktionen des Schultergelenks aufweisen, sei es entzündlicher, degenerativer oder traumatischer Genese. Speziell bei diesen schwierigen Indikationen muss der Patient einerseits, über die oft fehlende Alternative zur inversen Prothese, als auch auf der anderen Seite über die limitierte Tragzeit, trotz biomechanisch idealem Einbau, aufgeklärt werden. Generell würde ich die unterste Altersgrenze mit 70 Jahren festsetzen, in Problemfällen ist jedoch auch der Einsatz der Prothese in der Altersgruppe zwischen 55 und 70 Jahren gerechtfertigt, falls er die Lebensqualität des Patienten verbessert und keine andere Alternative zur Verfügung steht.
Spielen Aktivitätslevel und die Sportlichkeit des Patienten für Sie eine Rolle?
Erwartet sich der Patient vom Einsatz dieser inversen Prothese, dass er das Tennisracket wieder aus der verstaubten Tennistasche auspacken kann, dann ist das sicherlich für den Operateur eine Erwartungshaltung, die er mit dieser operativen Sanierung nicht erfüllen kann. Deshalb wird der Patient von uns präoperativ ausführlich darüber aufgeklärt, dass erhebliche Stresskräfte im normalen Alltag bei Einsatz dieses inversen Gelenks auf die Glenosphärenkomponente übertragen werden und dass hier außer der normalen Alltagsaktivität zusätzliche Stressmomente im Sinne von sportlicher Überkopftätigkeit und Schleuderbewegungen völlig kontraindiziert sind.
Was sind die Grundprinzipien für eine gute postoperative Funktion und schmerzfreies Bewegen?
1. Eine gute präoperative Funktion des Musculus deltoideus.
2. Eine ideale Implantation vor allem der Glenosphärenkomponente, die eher kaudal sitzen sollte.
3. Vermeidung einer übertriebenen intraoperativen Vorspannung des Musculus deltoideus.
4. Ein intakter Musculus teres minor garantiert gute funktionelle postoperative Ergebnisse bzgl. der Außenrotation in Abduktion, was für Alltagsaktivitäten wie Essen und Frisieren wesentlich ist.
5. Ein noch vorhandener Musculus subscapularis mit intakter Funktion garantiert auch postoperativ eine gute Innenrotation.
6. Vermeidung einer zu aggressiven unmittelbar postoperativen Rehabilitation und Schonung des mäßig vorgespannten Musculus deltoideus.
Wie viele Patienten haben Sie versorgt und wie sind die bisherigen Ergebnisse?
Wir haben seit November 2005 bis zum jetzigen Zeitpunkt 27 Patienten mit der Anatomical-Inverse/Reverse-Prothese versorgt und in dieser kurzen Zeit keine Frühlockerung der Prothese festgestellt. Weiters zeigen die funktionellen Drei-Monats-Ergebnisse, dass auch wie bei der bewährten Deltaprothese v.a. Patienten mit Cuff-arthropathien wesentlich besser abschneiden, als mehrfach voroperierte Patienten. Entscheidend ist, ob auch in Zukunft im klinischen Alltag dieses neue Prothesensystem im Vergleich zur Deltaprothese einen Vorteil bringt oder nicht. Besonders gilt es hier zu beobachten, ob durch die knochensparende Implantation bei der Glenosphärenkom-ponente das bekannte Notchingphänomen und das Anschlagen der humeralen Epiphyse am medialen Scapularand vermieden werden können, dadurch der Polyäthylenabrieb minimiert wird und somit die frühzeitige Auslockerung der Glenosphärenkomponente vermindert wird.
Was ist über die Instrumentierung der inversen Anatomical Shoulder zu sagen?
Entscheidende Fortschritte gegenüber den Konkurrenzprodukten sind speziell bei der Instrumentierung der Glenoidkomponente erzielt worden. Einerseits garantiert ein perfektes winkelstabiles Schraubensystem, welches frei justierbar ist, eine perfekte Fixation der Glenosphärenkomponente auch bei schlechter Knochenqualität, andererseits besticht die knochensparende Aufbereitung für Implantation der Glenosphärenkom-ponente am Glenoid. Auch der Einsatz des Prothesenschafts in anatomischer Weise mit Absetzen des Kopfes am anatomischen Hals so – wie dem anschließenden Aufsetzen der humeralen Epiphyse ist sehr einfach konzipiert.
Revisionen werden auch nach Schulter-TEP zunehmen. Vereinbart ein Kombinationssystem die ev. später notwendige Revision?
Liegt eine Situation vor, wo nach primär eingesetzten Schulterprothesen aufgrund von eventuell sekundären Rotatorenmanschettenrupturen diese Prothesen versagen, so ist es für den Schulterchirurgen wesentlich einfacher, ein Prothesensystem zu Verfügung zu haben, wo gerade bei diesen Revisionseingriffen und der Umwandlung einer anatomischen Prothese in eine inverse Prothese auf einen Stemwechsel verzichtet werden kann. Das gelingt nur mit solch einem modernen modularen Prothesensystem, bei dem es nach Einsatz einer anatomischen Prothese relativ einfach ist, durch Abnahme des Kopfes und Aufsatz einer humeralen Epiphyse, sowie durch sekundären Einbau einer Glenosphärenkomponente eine anatomische Prothese in eine inverse Prothese umzuwandeln, ohne einen aufwändigen Stemwechsel durchzuführen. Man sollte also schon beim primären Einsatz einer Schulterprothese, bei der Wahl des Prothesensystems an solche Wechseloperationssituationen denken.
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